Im Januar 2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein klares Urteil zu Ausnahmeregelungen für Pestizide gefällt. Demnach können Notfallzulassungen zur Verwendung verbotener Pestizide nur sehr eingeschränkt, unter ganz besonderen erteilt werden. Trotz dieses Urteils wurden von EU-Mitgliedstaaten seit Beginn des Jahres 29 Notfallzulassungen für verbotene Pestizide erteilt.

In seinem Urteil erklärte der EuGH, dass die Gewährung einer Ausnahmeregelung für ein in der EU verbotenes Pestizid bedeuten würde, dass die Pflanzenproduktion Vorrang vor der menschlichen Gesundheit und der Umwelt hätte. Dies sei nach EU-Recht nicht zulässig. Der Gerichtshof bekräftigte „die Verpflichtung der Mitgliedstaaten (…), alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Schädlingsbekämpfung mit geringem Pestizideinsatz zu fördern und dabei nach Möglichkeit nicht-chemischen Methoden den Vorrang zu geben.“ (Erwägung 44).

Infolge dieses Urteils zogen einige Länder bereits erteilte Notfallzulassungen zurück. Andere Länder taten dies nicht. Sechs Monate nach dem Gerichtsurteil hat die Europäische Kommission noch immer keine offizielle Reaktion veröffentlicht und eine Reihe von Mitgliedstaaten erteilen weiterhin Ausnahmeregelungen für die Anwendung von in der EU verbotenen Pestizide. PAN Europe untersuchte die Einträge zu Notfallzulassungen in der Datenbank der Kommission und deckte auf, dass seit Anfang des Jahres von 14 EU-Ländern insgesamt 29 solcher Ausnahmen gewährt wurden. Das Fazit von PAN hierzu ist: Die EU Kommission ist in der Pflicht sicherzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit in der EU respektiert wird, sie kommt dem jedoch nicht nach.

Bei den verbotenen Pestiziden, für die Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden, handelt es sich um für die menschliche Gesundheit hochgiftige Substanzen wie Diquat oder 1,3-Dichlorpropen, sowie um für die Umwelt hochgiftige Substanzen wie die hochbienengefährlichen Neonicotinoide Thiamethoxam und Clothianidin. Die Nichtachtung des europäischen Gerichtsurteils durch mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten gefährdet die Gesundheit der Bürger*innen und die Umwelt. Sie verhindert auch, dass mehr in nicht-chemischen Pflanzenschutz investiert wird und dass Landwirtinnen und Landwirte in der EU unter gleichen Bedingungen arbeiten können. In einem Schreiben an die EU Kommission hat PAN Europe nachgefragt, wie sich die Kommission hierzu verhalten wird. Eine Antwort steht noch aus.