In der heißen Phase der Auseinandersetzung vom 27.09. bis 20.10.2001 haben wir eine Reihe von Pressemeldungen herausgegeben.

Der Brasan-Skandal 2001

Aktuelle Meldungen aus der Zeit vom 27.09. bis 20.10.2001

27.09.2001

Was lernen wir aus dem Herbizid-Unfall in Pulow und in ganz Mecklenburg-Vorpommern?
Pressekonferenz überschattet von Demonstration der Peeneland-Angestellten

Direkt zum Protokoll

Wichtigstes Ergebnis der gestrigen Pressekonferenz in Papendorf, die von aufgebrachten Arbeitern der Peeneland Agrar GmbH massiv unter Beschuss genommen wurde: Die BRASAN-Kontamination ist ganz offensichtlich nur das erste Hebelchen, das wir zufällig (oder schicksalshaft) in die Hand bekommen haben, um die Etablierung der ökologischen Wirtschaftsweise zu fördern. Wir müssen viel durchdenken, denn ganz offensichtlich sind die eigentlichen Schwierigkeiten, die das Zusammentreffen des biologischen Landbaus mit den agroindustriellen Methoden zwangsläufig mit sich bringt, von den Ministerien und den beteiligten Behörden noch gar nicht erkannt. Da müssen wir alle gemeinsam nachdenken. Soviel jedenfalls ist sicher: Ohne die Kooperationsbereitschaft der konventionell arbeitenden Landwirte und ohne zusätzliche öffentliche Instrumente, z.B. das Recht der Gemeinden, auf die Art der Bewirtschaftung ihrer Flächen Einfluss zu nehmen, wird es keinen Weg geben.

Wir haben gestern noch einmal mehr verstanden, dass wir aus der begrenzten regionalen Sicht mit den besonderen Problemen, die aus dem Konflikt der Gemeinde Pulow mit dem 5000-Hektar-Betrieb Peeneland Agrar GmbH in Hohendorf herrühren, nicht auf die allgemeine Situation im übrigen Land schließen dürfen. In der ersten Betroffenheit nach dem amtlichen Verzehrverbot hat sicherlich manche Emotion für Fronten gesorgt, die den Blick auf ein gemeinsames Problem verstellt haben. Ohne dass wir unsere Kritik in der Sache zurücknehmen, wollen wir den konventionell wirtschaftenden Landwirten sagen, dass sie doch mit den Bio-Bauern im selben Boot sitzen: Sie sind doch ebenfalls in ihrem Ansehen (vor allem wenn sie verantwortungsbewusst arbeiten) geschädigt, sie erleiden selbst wirtschaftlichen Schaden, wenn sie für Schäden an der Umgebung haftbar gemacht werden, und sie werden selbst verunsichert, wenn sie feststellen müssen, dass ein als sicher angepriesenes Mittel für unbeabsichtigte Umweltschäden sorgt. Hier sitzen alle Betroffenen – Öko- und „normale“ Landwirte – der chemischen Industrie gegenüber!

An diese Adresse müssen wir uns gemeinsam wenden! Wenn die Beteuerungen der Vertreter der Chemieindustrie, die Mittel auf alle Gefahren sorgfältigst zu prüfen und dazu lernen zu wollen, ernst gemeint sind, dann müssen weitere Untersuchungen in die Zulassungsverfahren eingebunden werden. Zwei Forderungen können wir heute schon aus dem Brasan-Skandal ableiten:

1.) Es muss weit intensiver über Falschanwendung und deren Folgen geforscht werden. Die Mittel müssen sicherer werden (z.B. keine leicht flüchtigen Bestandteile), die Ausbildung der Spritzenfahrer muss in Hinblick auf Umweltgefahren und Beeinträchtigung der Anwohner bzw. von angrenzenden Ökobetrieben wesentlich vertieft werden.

2.) Es scheint dringend geboten, mit der Untersuchung von Kombinationswirkungen verschiedener Gifte, die in der Nachbarschaft in gleichen Zeiträumen oder auf einander folgend ausgebracht werden, sofort und intensiv zu beginnen. Die Zunahme allergischer Erkrankungen wird allgemein als Indiz gewertet, dass die Atmosphäre und unsere Umgebung mit so vielen Fremdstoffen belastet sind, dass ein kritisches Maß erreicht ist. Auch die riesigen Flächen, auf denen die Mittel vor allem in den neuen Bundesländern ausgebracht werden, sind ein zu wertender Faktor, mit dem sich die chemische Industrie befassen muss!

Wichtigstes Element wird nach wie vor der Dialog zwischen allen Beteiligen bleiben. Eindruck hat gestern die trotz des unglückseligen Herbizid-Unfalls gewahrte Anständigkeit zwischen dem Biobauern Willy Götz und dem Landwirt Voss, der die Götzschen Felder kontaminiert hat, gemacht. So einen Umgang wünschen wir uns auch in Pulow. Als Zeichen, dass unser guter Wille auch nach vier ausgeschlagenen Einladungen und trotz erneuten Nichterscheinens auf der gestrigen Pressekonferenz gegenüber dem Geschäftsführer der Peeneland Agrar GmbH noch immer vorhanden ist, werden wir nun ein sechstes Mal auf ihn zugehen und ihn noch einmal zu dem von uns seit langem angestrebten Arbeitsgespräch einladen.

28.09.2001, 12:00 Uhr

Clomazone in Blut gefunden!

Wie uns soeben bekannt wurde, ist im Blut einer Einwohnerin von Klein Jasedow (Ostvorpommern) Clomazone in einer Blutprobe nachgewiesen worden. Die Probe wurde vor einer Woche, also knapp drei Wochen nach Ausbringung von Brasan auf den umliegenden Winterrapsfeldern genommen. Den Angaben des Herstellers von Brasan, einem der Herbizide, in denen der Bestandteil Clomazone enthalten ist, zufolge soll Clomazone den Körper nach Einnahme, z.B. durch Verschlucken, in rund 90 Stunden wieder verlassen haben. Die geringen Sprühmengen und die Halbwertzeit von 30 bis 60 Tagen waren die starken Argumente, auf die sich der Hersteller Syngenta Agro GmbH bei seiner Voraussage stützte, die Bluttests würden keinen Befund ergeben. Der jetzt gemeldete Nachweis steht dazu eindeutig in Widerspruch.

18:30 Uhr

Rücksprache mit dem Gesundheitsamt hat ergeben, dass der Befund erst durch eine Kontrollprobe bestätigt werden muss, bevor dazu Stellung genommen werden kann. Auch nach unserer Meinung dürfte der Befund zum jetzigen Zeitpunkt keine gesundheitliche Beeinträchtigung bedeuten. Es geht jetzt vielmehr darum, die offenbar unvorhergesehenen Wirkmechanismen zu erforschen. Wir meinen nach wie vor, dass dazu auch die Suche nach Bestandteilen oder Abbauprodukten anderer Biozide gehört, vor allem nach Spuren von Roundup und ähnlichen Totalherbiziden, die großflächig auf den dem Brasan-behandelten Winterraps benachbarten Altschlägen über die Ausfallsaat gesprüht wurden. Die unmittelbare Bedrohung mag im Augenblick vorbei oder gering sein. Um so wichtiger ist jetzt ein umfassender Erkenntnisgewinn, der für die Zukunft höchste Bedeutung haben kann.

29.09.2001, 11:00 Uhr

Nachbarliche Hilfe angeboten

Es gibt auch schöne Momente in der Herbizid-Havarie: Der Bio-Landwirt und Bürgermeister der benachbarten Gemeinde Buggenhagen, Georg-Wilhelm Voß, hat der von der Kontamination existenzbedrohend betroffenen „Kräutergarten Pommerland eG“ aus Pulow einen Hektar zertifizierter und unbelasteter Fläche zur Überbrückung im nächsten Jahr zur Verfügung gestellt.

Inzwischen wurde die Bürgerinitiative von Landwirtschaftsminister Till Backhaus zu einem Gespräch am kommenden Donnerstag nach Schwerin eingeladen.

29.09.2001, 11:00 Uhr

Entwarnung des Landwirtschaftsministers im Herbizid-Skandal macht Menschen nicht gesund

Da das Landwirtschaftsministerium am 27. und 29. September totale Entwarnung gegeben hat und in einer Pressemeldung mit der Aussage wirbt, „ein Mensch von 70 kg Gewicht könnte täglich 3 mg dieses Wirkstoffes direkt zu sich nehmen, ohne das es zu einer Gesundheitsgefährdung kommt“, die realen Menschen aber in präzisem zeitlichem Zusammenhang mit den Spritzaktionen unter massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten haben und zum Teil noch immer leiden, brauchen wir Daten, Daten und nochmals Daten! Bitte melden Sie Ihre Beschwerden, die zur Spritzzeit aufgetreten sind, Ihrem Arzt oder schriftlich dem Gesundheitsamt und lassen Sie uns eine entsprechende Nachricht zukommen. Auch wenn es bereits zu spät sein mag und die möglichen Wirkstoffe vermutlich schon weitgehend abgebaut sind: Lassen Sie eine Blutprobe machen und veranlassen Sie das Gesundheitsamt, die Probe in die offiziellen Untersuchungen einzubeziehen. Wie wir bereits öffentlich deutlich gemacht haben, könnten an den Gesundheitsbeschwerden nicht nur die Wirkstoffe Clomazone und Dimethachlor beteiligt sein, sondern möglicherweise auch Glyphosate und Glufosinat aus den Totalherbiziden, welche auf die benachbarten Altraps-Schläge zur Vernichtung der Ausfallsaat ausgebracht worden sind. Wir haben entsprechende Beobachtungen dokumentiert und die Behörden mit Nachdruck darauf hingewiesen. Auch die Senföle, die von den verrottenden „totgespritzten“ Flächen ausdünsten, könnten in Kombination mit einem der synthetischen Pflanzengifte Urheber der Krankheitssymptome sein.

Also: Bitte Gesundheitsbeschwerden im Zusammenhang mit Pflanzengift-Spritzungen melden und uns mitteilen!

Verehrte VertreterInnen der Behörden und der Hersteller: Es geht hier nicht um eine „kampagneartige Ausweitung der Diskussion ohne handfeste Nachweise für Gesundheits- und Umweltschäden“, wie die jüngste Pressemeldung des Ministeriums warnt! Wir wollen Licht in eine Gesundheitsgefahr bringen, die in ihrer potenziellen Tragweite (und in ihrem volkswirtschaftlichen Schaden, vom immateriellen Schaden nach BSE, MKS etc. nicht zu sprechen) bisher offensichtlich nicht erfasst wurde. Für Panikmache wäre es ja auch schon zu spät, denn die vor vier Wochen ausgebrachten Mittel haben ja bereits reagiert, ihre Wirkung entfaltet und sollten gerade deshalb schon nicht mehr nachzuweisen sein!

Es geht jetzt um Erkenntnisse aus der Havarie, die bei Entwicklung, Zulassung und Anwendung chemischer Ackergifte unbedingt berücksichtigt werden müssen. Das geht nur mit seriösen Daten, die mit Engagement vorgetragen werden.

An letzterem soll es auf unserer Seite nicht fehlen. Auf Ihrer Seite würden wir aber erwarten, dass auch Sie die Menschen mit Nachdruck auffordern, ihre gesundheitlichen Beschwerden und Beobachtungen z.B. zu Kleinvieh etc. zu melden, um für die Zukunft vorzusorgen! Das wäre nicht Panikmache, sondern exakt das, was mündige Bürger von einer verantwortungsbewussten Verwaltung erwarten, die sich die „gläserne Produktion“ auf die Fahne geschrieben hat. Mit der jetzt veröffentlichten Entwarnung ohne die gleichzeitige Aufforderung, entsprechende Beobachtungen zu melden, sorgen Sie dafür, dass die Betroffenen in ihren Leiden nicht mehr ernst genommen werden und berauben sich zudem der Möglichkeit, genau das zu bekommen, was Sie fordern: eine seriöse Datenbasis für „handfeste Nachweise für Gesundheits- und Umweltschäden“. Das Landwirtschaftsministerium sagt es selbst: „Damit wird der Agrarstandort Mecklenburg-Vorpommern in Misskredit gebracht.“ (beide Zitate: PM des LM Nr. 220 vom 27.09.2001)

03.10.2001, 8:00 Uhr

Gegen-Initiative der Nicht-Betroffenen gegründet

Am gestrigen Dienstag Abend fand in dem Städtchen Lassan in der Nachbarschaft der Gemeinde Pulow die Gründungsversammlung einer neuen „Bürgerinitiative der Gemeinde Pulow“ statt. Die Initiative geht von Personen aus, die von dem nach der Herbizid-Havarie amtlich erlassenen Verzehrverbot von Gartenfürchten nicht ausdrücklich betroffen waren. Zusammen mit einer großen Anzahl Ortsfremder, bei denen es sich der Beobachtung nach zur Hauptsache um Angestellte des regionalen Agrarunternehmens handelt, das die Kontamination im Pulower Gemeindegebiet und darüber hinaus verursacht hat, wirft die neue Inititative den Betroffenen vor, sie hätten mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit die Arbeitsplätze in dem Agrarunternehmen, das rund 5000 Hektar bewirtschaftet in Gefahr gebracht. Speziell Bürgermeister Matthias Andiel steht in der Kritik der Gegen-Initiative: Er habe sich für die Öko-Initiative eingesetzt und damit gegen die Interessen der Gemeinde verstoßen. Die InitiatorInnen wollen Andiel deswegen „abwählen“. Dieser verteidigt seine Haltung mit der Pflicht zur Fürsorge, die ihm ein Einschreiten zum Schutz von Gesundheit und Eigentum der GemeindebürgerInnen auferlege.

Zu der Versammlung hatten nur geladene BürgerInnen Zutritt. Andere interessierte BürgerInnen wurden abgewiesen, ebenso ein Journalist, der zuvor ausdrücklich eingeladen worden war.

03.10.2001, 8:00 Uhr

Peeneland-Chefs abermals nicht zum Gespräch bereit

Die Gemeinde Pulow hatte die beiden Geschäftsführer der Peeneland Agrar GmbH, Bernard Sebastian Kowolik und Olaf Czeskleba, am Freitag, den 28. September durch das Amt Ziethen zum sechsten Mal zu einem klärenden Gespräch eingeladen. Als mögliche Termine waren Montag oder Diensrtag Nachmittag vorgeschlagen worden. Keiner der beiden Termine wurde von den Eingeladenen wahrgenommen. Ein Ausweichtermin wurde von der Peeneland GmbH nicht angeboten, man werde die Gemeinde „zu gegebener Zeit“ einen anderen Termin vorschlagen.

Auf Bitten der Bürgerinitiative Landwende wird Bürgermeister Matthias Andiel jedoch von sich aus noch einen siebten Versuch unternehmen, mit dem Agrarbetrieb in Bälde ein Gespräch zustande zu bringen.

04.10.2001, 7:00 Uhr

Bürgerinitiative Landwende bei Till Backhaus

Heute Nachmittag werden Mitglieder unserer Initiative von Landwirtschaftsminister Till Backhaus empfangen. Die Delegation reist auf Einladung des Ministers nach Schwerin. Was das Anliegen des Ministers ist, wissen wir noch nicht. Von unserer Seite sind die Punkte klar:

– Wir fordern die Erweiterung der kommunalen Selbstverwaltung um die Möglichkeit, nach Meinungsbildung in der Gemeinde mitbestimmen zu können, wie die Flächen innerhalb der Gemeindegrenzen bewirtschaftet werden.

– Wir fordern weiter die Schaffung größtmöglicher Transparenz der konventionellen Landwirtschaft: Die BürgerInnen müssen über den Zeitpunkt geplanter Spritzungen sowie über die eingesetzten Mittel lückenlos informiert werden.

– Im Nachklang des aktuellen Herbizid-Skandals fordern wir, die Blut-Untersuchungen auf die Stoffe Glyphosat und Glufosinat sowie auf alle weiteren Stoffe auszudehnen, die möglicherweise in Kombination mit dem Wirkstoff Clomazone auf die Gesundheit von Anwohnern einwirken können. Außerdem muss untersucht werden, welchen Einfluss die Größe der Schläge auf das Verhalten der Wirkstoffe in der Atmosphäre hat. Es dürfte beim Zulassungsprozess kaum Freilandstudien mit zusammenhängenden Ausbringungsflächen von 8 Quadratkilometern gegeben haben.

– Wir fordern in Hinblick auf mögliche Gefahren, die aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und den Abbau der ausgebrachten Pflanzengifte in diesem Jahr nicht mehr untersucht werden können, eine repräsentative Langezit-Untersuchung der gesundheitlichen Einwirkung von Herbiziden, beginnend ab sofort.

– Wir fordern das Verbot von Ackergiften, die nicht unmittelbar zur Verhütung oder Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten oder von als Schädlinge angesehenen Insekten und Pilzen dienen. Die Mittel, die den Skandal ausgelöst haben, dienen ausschließlich zur Unterdrückung und Abtötung von unerwünschen Kräutern und Gräsern, die auch ohne Chemie-Einsatz, z.B. mechanisch, am Aufwachsen gehindert werden können. Es kann nicht angehen, dass unser Boden, unser Wasser und unsere Atemluft zunehmend mit Chemikalien belastet werden, die ausschließlich den Arbeitskräfteeinsatz in der Agrarindustrie minimieren und das Produktionstempo erhöhen.

Bürgermeister Matthias Andiel wird die Bürgerinitiative Landwende begleiten, um in Hinblick auf die von der geheim gegen ihn zusammengetretenen Bürgergruppe geäußerten Kritik an seiner Haltung in dem Skandal seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, er habe nach Bekanntwerden der Gesundheitsbeschwerden und des amtlichen Verzehrverbots von Gartenfrüchten aus der Fürsorgepflicht den Betroffenen gegenüber gehandelt.

05.10.2001, 10:30 Uhr

Arbeitsgespräch mit dem Landwirtschaftsminister

Gestern Nachmittag hatte Landwirtschaftsminister Till Backhaus die Bürgerinitiative Landwende sowie eine Reihe von VertreterInnen von Fachbehörden nach Schwerin eingeladen. In der fast dreistündigen Gesprächsrunde, die von gegenseitigem Verständnis und von der Überzeugung geprägt war, gemeinsam an der Lösung der durch die Herbizid-Havarie ausgelösten Probleme zu arbeiten, konnten einige positive Schritte festgelegt werden. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

– Auch nach der nochmaligen Bestätigung, dass der Wirkstoff Clomazone in den verfrachteten Mengen nach bestem derzeitigen Wissen nicht als gesundheitsschädlich angesehen werden kann, wird der Ursache der bekannt gewordenen Krankheitssymptome nachgegangen. Die betroffenen BürgerInnen haben Anspruch auf Aufklärung und Sicherheit. Als mögliche Auslöser der Symptome (anhaltende Kopfschmerzen und Benommenhneit, Übelkeit bis zum Erbrechen, Hautreizungen und Hautausschlag, Atemwegsbeschwerden, Gliederschmerzen und extreme Müdigkeit) kann ein gesteigertes natürliches Infektionsgeschehen verantwortlich sein. Unsere Frage, ob auch ein bisher nicht erforschter Wirkmechanismus (wie von uns vorgetragen: Wechselwirkung zwischen Wirkstoffen mehrerer Herbizide, ein anderer Wirkstoff als Clomazone, Wechselwirkung zwischen einem Wirkstoff und dem im Raps enthaltenen Senföl, Senföl allein, Wechselwirkung eines Wirkstoffs mit Faulgasen, Verhalten der Wirkstoffe bei Ausbringung auf zusammenhängenden Flächen von mehreren Quadratkilometern) als Auslöser für die Krankheitssymptome verantwortliche sein könnte, konnte allerdings erneut nicht beantwortet werden. Die Frage wurde jedoch an die enstprechenden Stellen weitergeleitet.

– Im Zug der Bemühungen des Landwirtschaftsministeriums, die Fläche für ökologischen Anbau landesweit auf 20% zu steigern, könnte am Beispiel der Gemeinde Pulow ein Modell entwickelt werden, wie eine verträgliche Nachbarschaft zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft gestaltet werden kann. Minister Backhaus hat hier als Sofortmaßnahme zugesagt, seine Fachleute zur Erkundung der Potenziale und Probleme in unsere Region zu schicken. An erster Stelle steht die Bemühung, alle Beteiligten (die beiden Ökobetriebe in der Gemeinde, die Gemeindevertretung, den Agrarbetrieb sowie die beiden Bürgerinitiativen) an einen Tisch zu bekommen. Angestrebt ist, mit den Worten des Ministers, ein „Minimalkonsens“, der die richtigen Schritte für eine konstruktive Zusammenarbeit einleitet. Dies würde unter anderem auch die Umsetzung im vergangenen Jahr von der Gemeindevertretung beschlossene Lokale Agenda einen bedeutenden Schritt voran bringen. Unser Vorschlag, in unserer landschaftlich besonders wertvollen Region bei der Ackerbearbeitung statt auf Chemie mehr auf mechanische Vorgehensweisen zu setzen und eine verstärkte Umsetzung des so genannten Integrierten Pflanzenschutzes zu fördern, wurde mit dem Hinweis aufgenommen, dies sei bereits Gegenstand der Politik.

– Zum Problemkreis der geschädigten Ökobetriebe wurde bestätigt, dass die von verkaufsfähigen Gemüsen genommenen Proben keinen Nachweis von Clomazone ergaben. Dies rührt daher, dass die verfrachteten Mengen gering waren und sich der Wirkstoff inzwischen so weit abgebaut haben dürfte. Auch die Bodenproben brachten keinen Nachweis, dass sich Clomazone noch in den kontaminierten Flächen befindet. Dies eröffnet allerdings ein Problem bei der Zertifizierung der ökologischen Flächen: Ein Kontrollinstitut hat Flächensperrungen ausgesprochen, andere Kontrollstellen halten die Flächen hingegen weiterhin für lizenzfähig. Hier muss das Ministerium prüfen, eine einheitliche Praxis durchsetzen und diese der Öffentlichkeit so vermitteln, dass das Vertrauen der Verbraucher in das Qualitätsmerkmal „kbA“ (kontrolliert biologischer Anbau) erhalten bleibt. Wie der Schadensausgleich vonstatten gehen soll, ist noch ungeklärt. Nachdem die Hofversicherung eines betroffenen Landwirts die Haftung für den dem benachbarten Ökobetrieb entstandenen Schaden abgelehnt hat, ist zu befürchten, dass dies auch in anderen Fällen so gehandhabt wird. Das Ministerium drängt deshalb auf eine gütliche Einigung zwschen den beteiligten Parteien. Eine unterstützende Moderation wurde in Aussicht gestellt.

– Zu Beginn der Runde verlas Minister Backhaus einen Brief der jüngst von nicht betroffenen BürgerInnen gegründeten „Bürgerinitiative der Gemeinde Pulow“. Darin wird einerseits Kritik an dem Engagement unserer Initiative und des Bürgermeisters geäußert. So seien die festgestellten Schäden nichts Besonderes, und auch die gesundheitlichen Beschwerden seien ausschließlich von „Neubürgern“, die den Landwirtschaftsbetrieb verjagen wollten (was allerdings beides nicht den Tatsachen entspricht), vorgetragen worden, man selbst habe noch nie Probleme mit den Spritzmitteln gehabt. Andererseits wurde von den Nicht-Betroffenen auch deutlich zum Ausdruck gebracht, den Frieden im Dorf suchen und mit den bisher engagierten BürgerInnen zusammenarbeiten zu wollen. Dies wurde als positives Zeichen gewertet, zumal dies die erste Mitteilung über die Ziele der Bürgergruppe ist. Von unserer Seite wurde darauf hingewiesen, dass es seit März 1998 jeden 3. Freitag im Monat einen Bürgerstammtisch gibt, der für alle EinwohnerInnen der Gemeinde Pulow offen ist und bei dem anstehende Probleme und vor allem Ideen zur Entwicklung der Gemeinde eingebracht werden können. Der Brief lässt nun hoffen, dass sich in Zukunft nun auch dessen AbsenderInnen an diesem Forum beteiligen werden.

Bis gestern Nachmittag lagen dem Ministerium insgesamt 57 Anzeigen über Clomazone-Kontaminationen aus Mecklenburg-Vorpommern vor. Jeder einzelne Vorfall werde sorgfältig geprüft. Bei 5 Ökobetrieben seien aufgrund der Herbizid-Kontamination Verbote erlassen worden, die erzeugten Lebensmittel als kontolliert biologische Ware zu verkaufen.

Die Runde endete mit der gegenseitigen Zusicherung, weiter konstruktiv zusammenarbeiten zu wollen. Die Bürgerinitiative Landwende bekräftigte ihre Bereitschaft, die Umsetzung der „Agrarwende“ tatkräftig zu unterstützen.

Das Gespräch wurde von uns protokolliert und dem Minsterium zur Autorisierung übersandt.

(Direktsprung zum Protokoll: Hier klicken.)

09.10.2001, 9:30 Uhr

Unterschiedliche Praxis beim Lizenzentzug schadet Bio-Image

Die unterschiedliche Praxis bei der Bewertung der von dem Herbizid-Unfall betroffenen Ackerflächen schadet dem Image des ökologischen Landbaus. Zu dieser Einschätzung kommen die Mitglieder der „Kräutergarten Pommerland eG“ in Pulow. Deren Kontrollstelle „Grünstempel“ hatte, anders als die Kontrollstellen anderer Betroffener, sofort nach Bekanntwerden der Kontamination einer Melissenfläche die Lizenz zur Verwendung der Kennzeichnung „kbA“ (kontrolliert biologischer Anbau) entzogen. Auch wenn dies erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den betroffenen Betrieb bedeute, sei dies im Einklang mit der strikten Richtlinie für den ökologischen Landbau geschehen. Diese besagt, dass nur Flächen für das „kbA“-Kriterium in Frage kommen, die mindestens drei Jahre nicht mit im Ökolandbau unzulässigen Mitteln behandelt worden sind. Dabei ist unerheblich, ob die Mittel durch eigenes Verschulden oder durch Fremdeinwirkung auf die Fläche gelangt sind. Der Verbraucher darf darauf vertrauen, dass Ware, die mit „kbA“ gekennzeichnet ist, dieser Anforderung einwandfrei entspricht.

Durch die derzeit vom Landwirtschaftsministerium ausgesprochene Empfehlung, Flächen, bei denen Bodenproben keinen Rückstand von Clomazone aufweisen, weiterhin als „kbA“-Flächen weiterlaufen zu lassen, wird das seit den 70er-Jahren durch strikte und von unabhängigen Einrichtungen kontrollierte Anwendung der Richtlinie hart erarbeite Vertrauen der Verbraucher unterminiert: „Wer in München ein „kbA“-Produkt aus einem von der Clomazone-Kontamination betroffenen Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns aus dem Regal nimmt, möchte hundertprozentig sicher sein, dass das Produkt nicht von einem Clomazone-kontaminierten Feld stammt, das nur aufgrund eines negativen Rückstandsnachweises nicht gesperrt wurde“, so Simone Schaefer von der Kräutergenossenschaft. Sie fordert ein einheitliches Verfahren aller Kontrollstellen, das dem Verbraucher klar zeigt, dass die „kbA“-Richtlinien weiterhin eisern eingehalten werden. Ob im Einzelfall eine verkürzte Umstellungsphase zur Schadensbegrenzung eingeräumt werden kann, solle öffentlich diskutiert werden. Um diese Diskussion in Gang zu bringen, habe die Genossenschaft auch Widerspruch gegen den Lizenzentzug eingelegt.

Die Bürgerinitiative Landwende unterstützt die Auffassung der Kräutergenossenschaft: Ökologische Produkte sind nicht nur „rückstandsfreie“ Produkte. Das „kbA“-Siegel ist ein höchstwertiges Qualitätsmerkmal wie etwa das Reinheitsgebot beim Bier, das ursprünglich von den Erzeugern im Dialog mit den Verbrauchern selbst geschaffen wurde. Es garantiert unter anderem, dass der Ackerboden mindestens drei Jahre lang nicht mit synthetischen Ackergiften in Berührung gekommen ist. Eine Aufweichung der strengen Lizenz-Praxis schadet den Bio-Betrieben und senkt den Marktwert ihrer Qualitätsbemühungen.

Sollten für die von der Clomazone-Havarie betroffenen Betriebe Ausnahmen gemacht werden, so muss dies öffentlich diskutiert und begründet werden. Ausnahmen dürfen allein die von den für die Kontrolle zuständigen unabhängigen Einrichtungen aussprechen. Keinesfalls darf die Unabhängigkeit der Kontrollstellen durch eine ministerielle Anordnung außer Kraft gesetzt werden. Lediglich eine Empfehlung des Ministeriums, die Umstellungsphase zu verkürzen, wäre vor diesem Hintergrund gerechtfertigt und zu befürworten.

Wenn der öffentliche Hintergrund gewährleistet ist, befürwortet auch die Bürgerinitiative Landwende mit Augenmaß getroffene Ausnahmeregelungen für eine verkürzte Umstellungsphase. In jedem Fall muss eine schnelle und umfassende Schadensausgleichregelung getroffen werden.

Wir verlautet, scheint die Kontrollstelle „Alicon“, die für die im Greifswalder Raum betroffenen Ökobetriebe zuständig ist, zusammen mit den Anbauern und dem Ministerium bereits eine Sonderregelung ausgehandelt haben. Wir bitten die KollegInnen, ihr Verfahren öffentlich und für den Verbraucher transparent zu machen.

08.10.2001, 21:00 Uhr

Informationsabend für Pulower BürgerInnen

Am morgigen Dienstag Abend, 19:30 Uhr, findet im Papendorfer Gutshaus (Gemeinde Pulow, OVP) eine Informationsveranstaltung für die EinwohnerInnen der Gemeinde Pulow zu der Herbizid-Havarie statt. Insbesondere soll der Dialog mit der Initiative der Nicht-Betroffenen aufgenommen werden, die in ihrem Brief an Landwirtschaftsminister Till Backhaus die Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Landwende und der Gemeinde angeboten hatten. Bisher hat die Gruppe der Nicht-Betroffenen die betroffenen BürgerInnen noch nicht direkt angesprochen. Die Stimmung in der Gemeinde ist äußerlich ruhig. Allerdings haben Jugendliche an eine Trafostation in Papendorf die Parole „Stürtzt (sic!) den Bürgermeister“ gesprüht.

Als erstes Zeichen, dass das Treffen im Landwirtschaftsministerium Früchte trägt, wurde heute ein Termin für den „Runden Tisch“ bestimmt, an den ein Vertreter des Ministeriums den konventionellen Agrarbetrieb, die ökologische Kräutergenossenschaft, die beiden Bürgerinitiativen und die Gemeindevertreter von Pulow bringen möchte: Es wird am Mittwoch, den 17. Oktober stattfinden; Details werden noch festgelegt.

Das Protokoll des Gesprächs in Schwerin ist noch nicht freigegeben.

10.10.2001, 13:00 Uhr

Turbulente Bürgerversammlung in Pulow
Kooperationsbereitschaft der Nicht-Betroffenen noch nicht erkennbar

Bei der gestrigen Informationsveranstaltung in der Gemeinde Pulow, deren Bürgerschaft seit Bekanntwerden des Herbizid-Unfalls in Betroffene und Nicht-Beftroffene gespalten ist, konnte entgegen der schriftlich an den Landwirtschaftsminister gerichteten Beteuerung, den Frieden im Dorf und die Zusammenarbeit zu suchen, noch kein positives Ergebnis erzielt werden. Die nicht betroffenen EinwohnerInnen, die rund 100 Personen mobilisiert hatten, machten den von dem Verzehrverbot betroffenen BürgerInnen massive und lautstark vorgebrachte Vorwürfe, sie hätten den Skandal nur inszeniert, um den regionalen Agrar-Großbetrieb „kaputtzumachen“. Vor allem die in den vergangenen fünf Jahren mit ihren Unternehmen in die Gemeinde gezogenen „Neubürger“ wurden für ihr Engagement für eine wirtschaftliche Zukunft der Gemeinde gescholten: So hieß es, die „Neuen“ wollten alles an sich reißen, man werde nicht über die Entwicklung informiert, man könne nicht mitbestimmen etc. Der Bürgermeister erinnerte vergeblich an den seit März 1998 jeden dritten Freitag im Monat stattfindenden Stammtisch für alle BürgerInnen, zu dem jedesmal zusätzlich schriftlich eingeladen wird. Dieses offene Forum für die Gemeindeentwicklung wurde von den jetzigen BeschwerdeführerInnen bisher nicht genutzt.

Es wurde auch deutlich, dass offenbar vielen EinwohnerInnen die kommunalen Verfahren und gesetzlichen Rahmenbedingungen immer noch fremd sind. So wurde dem Bürgermeister unter anderem vorgeworfen, sein Engagement zur Aufklärung der Herbizid-Kontamination habe den Belangen der Gemeinde geschadet. Seine Erklärung, dies sei ihm durch sein Amt als Pflicht auferlegt, wurde als Ausrede abgetan. Er sei lediglich daran interessiert gewesen, die „ganze Welt verrückt zu machen“ und „der Jasedower Gruppe“ Vorteile zu verschaffen.

Die betroffenen EinwohnerInnen von Klein Jasedow und des Pulower Kräuterbetriebs ließ man kaum zu Wort kommen. Statt des behaupteten Friedensangebots waren viele gehässige Bemerkungen zu hören. Den einheimischen BürgerInnen, die bei den neuen Unternehmen in Klein Jasedow und Pulow Arbeit gefunden haben, wurde zum Vorwurf gemacht, überhaupt mit ihren Arbeitgebern zusammenzuarbeiten. Auch der Hinweis, dass viele der gegnerischen BürgerInnen bereits Vorteile von der Entwicklung hatten und haben – so waren viele Personen darunter, die ihre Einkommenssituation durch eine große AB-Maßnahme verbessern konnten, sowie andere, die sich regelmäßig Geräte und Fahrzeuge des Mirabell-Vereins leihen und kleinere Arbeiten bekommen – ging in lauten Unmutsäußerungen unter.

Insgesamt wurde deutlich, dass der Herbizid-Skandal über das Unglück der direkt Betroffenen hinaus weiteres Unglück nach sich gezogen hat: Die Opfer des Unfalls sind aus Sicht der Familien, die von dem den Schaden verursachenden Agrarbetrieb abhängig sind, zu „den Bösen“ geworden, die kein anderes Interesse bewege, als alles um sich herum zu zerstören. Interessant ist die Tatsache, dass der Konflikt durch massive Impulse von Personen außerhalb der Gemeinde angeheizt wird. So dominierten zeitweilig ein Bürger aus Usedom sowie ein mit dem Agrarunternehmen verbundener Landhandels-Unternehmer mit heftigen Angriffen gegen die Gemeinderatsmitglieder, den Bürgermeister und den Kräuterbetrieb die Stimmung im Versammlungssaal.

Auf die öffentlich verkündete Kooperationsbereitschaft angesprochen, äußerten die Nicht-Betroffenen mit Bestimmtheit, nicht nur nicht zusammenarbeiten zu wollen, sondern den Bürgermeister und den bestehenden Gemeinderat als Ganzes abwählen und mit anderen Personen besetzen zu wollen.

Der Verlauf der Veranstaltung wurde protokolliert. Das Protokoll soll allen BürgerInnen ausgehändigt werden. Auf dieser Grundlage soll am Freitag, den 19. September, in der offiziellen Stammtischrunde weiter gesprochen werden.

Auch wenn die Situation im Augenblick festgefahren erscheint und wohl mancher in ruhigeren Momenten manches böse Wort bereuen mag, werten sowohl die Gemeinde und die Seite der Betroffenen die Veranstaltung als grundsätzlich gutes Zeichen, dass sich die bisher an der Gemeindeentwicklung uninteressierten EinwohnerInnen erstmals engagiert äußern und offenbar bereit sind, eine Opposition zu bilden. Wenn hier nun die sachliche Ebene gesucht würde, wäre dies ein wertvoller Gewinn für die Demokratie in der Gemeinde. Vielleicht leistet das vom Landwirtschaftsministerium zugesagte klärende Gespräch, das für Mittwoch, den 17. September, vorbereitet wird, einen Beitrag zur Lösung der Spannungen. Bei diesem Gespräch werden sich 3 Vertreter des Ministeriums und des Landwirtschaftsamtes sowie jeweils 3 VertreterInnen des Agrarbetriebs, der Gemeinde sowie der beiden Bürgergruppen gegenübersitzen.

Zum Protokoll des Arbeitsgesprächs vom 4. Oktober: Wie eine Rückfrage beim Landwirtschaftsministerium ergab, ist das Protokoll dort noch in Bearbeitung.

12.10.2001, 12:00 Uhr

Grünstempel bekräftigt kompromisslose Position

Im Zusammenhang mit der Brasan-Affäre in Ost- und Nordvorpommern bleibt Geschäftsführer Jansen von der Öko-Kontrollstelle Grünstempel e.V. bei seiner Auffassung, dass die Aberkennung von Zertifikaten für kontrolliert biologischen Anbau bei jeglicher Behandlung mit chemischen Stoffen erforderlich ist. Dabei sei es unerheblich, ob chemische Pflanzenschutzmittel absichtlich oder unabsichtlich auf ein ökologisches Feld gelangt seien. „Der Entzug der Zertifizierung ist in einem solchen Fall reine Routinesache. Dies ist keineswegs als ‚Strafe‘ für den Öko-Bauern anzusehen, sondern dient vor allem dem Schutz des Verbrauchers, der ja immer sicher sein muss, dass die Öko-Produkte der Bauern, die auf seinen Tisch kommen, auch wirklich unbelastet sind.“ Jansen stellt für Grünstempel klar, dass dieses Verfahren in jedem Fall, auch gegenüber der Kräutergarten Pommerland eG in Pulow konsequent durchgeführt werde. Er rät anderen Kontrollstellen und der Kontrollbehörde in Mecklenburg-Vorpommern, ebenso vorzugehen, damit die EU-Verordnung nicht ausgehöhlt werde. „Aber wir denken natürlich auch an die ökologischen Erzeuger. Da lässt uns die EU-Verordnung die Möglichkeit, einen Antrag auf Verkürzung der Umstellungszeit zu stellen. Dieses Vorgehen entspricht den EU-Regularien und wird von uns positiv beurteilt, auch im Fall der Kräutergarten Pommerland eG.“ Um die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verkürzung der Umstellungszeit zu schaffen, hat die Kräutergarten Pommerland eG gegen den Lizenzentzug Widerspruch eingelegt. Dazu meint Jansen, dass dieses Vorgehen in ähnlich gelagerten Fällen in anderen Bundesländern eine Selbstverständlichkeit sei.

Die Bürgerinitiative Landwende sieht sich in ihrer Meinung bekräftigt und fordert die Kontrollstellen und die Behörden nochmals dazu auf, in der Frage des Lizenzentzugs erstens einheitlich und zweites für den Verbraucher transparent zu verfahren. Wenn hier Augenmaß angewendet und die nach dem zwingend erforderlichen Lizenzentzug eintretende Umstellungszeit verkürzt werden kann, so ist dies im Sinne der Schadensbegrenzung sehr zu begrüßen. Allerdings geht dies nur unter Einhaltung des korrekten Verfahrens und unter Beteiligung und Aufklärung der Öffentlichkeit bzw. des Verbrauchers.

In diesem Zusammenhang muss das Schreiben des Landwirtschaftsministeriums vom 2. Oktober überdacht werden.

17.10.2001, 06:30 Uhr

Runder Tisch in Pulow

Am heutigen Mittwoch findet der Runde Tisch mit Vertretern des Landwirtschaftsministeriums, des Landwirtschaftsamtes, der Peeneland Agrar GmbH, den Ökobetrieben in der Gemeinde Pulow, der Gemeindevertretung Pulow, der Bürgerinitiative Landwende sowie den Kritikern der von dem Herbizid-Skandal betroffenen BürgerInnen statt. Wir hoffen, dass der gemeinsame Wille zur Zusammenarbeit über die emotionale Kritik hinaus Oberhand behält und das Ministerium seine Ankündigung wahr macht, zum Entstehen eines Modellprojekts beizutragen, das Wege zum Miteinander von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft aufzeigt.

Folgender Ablauf ist geplant: Um 14:00 Uhr wird Dr. Rudolphi vom Ministerium zusammen mit Herrn Wedewart und Herrn Verchow vom Landwirtschaftsamt die Peeneland Agrar GmbH aufsuchen, um Bernard Kowolik und Olaf Czeskleba, die beiden Geschäftsführer, zum Gespräch einzuladen. Um 16:00 soll dann im Papendorfer Gutshaus die Gemeinde und die Bürgerinitiative Gelegenheit haben, ihre Position vorzutragen. Ab 18:00 Uhr werden dann alle Beteiligten um den Tisch versammelt sein. Wir hoffen auf gutes Gelingen.

Zum Protokoll des Schweriner Gesprächs: Inzwischen haben wir den Text vom Ministerium zurück erhalten. Es muss jedoch noch geklärt werden, in welcher Form wir ihn hier ins Netz stellen dürfen.

18.10.2001, 10:45 Uhr

Presseerklärung zum „Runden Tisch“ in Pulow

Am Mittwoch Nachmittag führte Dr. Gerhard Rudolphi, Leiter der Abteilung Landwirtschaft, Ernährung und Fischerei im Schweriner Landwirtschaftsministerium, schlichtende Gespräche mit den durch den Herbizid-Zwischenfall in der Gemeinde Pulow entzweiten Parteien. Die bestehenden Konflikte wurden zunächst in Einzelgesprächen mit allen Beteiligten erläutert und diskutiert. Am Abend war zu einem „Runden Tisch“ geladen, an dem sich schließlich Vertreter der Gemeinde Pulow, der Bürgerinitiative Landwende, der Kräutergarten Pommerland eG sowie der Peeneland Agrar GmbH und der ATR Landhandel Arp Thordsen Rautenberg GmbH & Co. versammelten.

In dem von Dr. Rudolphi geführten Schlichtungsgespräch wurden die Kernprobleme zwischen den Parteien angesprochen. Er appellierte an beide Seiten, die wirtschaftlichen Ziele des jeweils anderen zu akzeptieren. Konkrete Ergebnisse konnten an dem Abend noch nicht erzielt werden. Einigkeit bestand jedoch darin, dass weitere Gespräche in nächster Zeit unabdingbar sind. Beide Seiten wollen den Dialog in den nächsten drei Wochen fortsetzen.

Der Wortlaut dieser gemeinsamen Presseerklärung ist zwischen den Parteien abgestimmt und von diesen genehmigt worden.

Unsere Bewertung des „Runden Tischs“:
Erste Schritte zum gegenseitigen Verständnis?

Die Situation in Pulow lässt auf Entspannung hoffen. Am gestrigen Mittwoch Nachmittag führte Dr. Gerhard Rudolphi, Leiter der Abteilung Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Fischerei im Schweriner Landwirtschaftsministerium, wie angekündigt, schlichtende Gespräche mit den durch den Brasan-Zwischenfall entzweiten Parteien in der Gemeinde. Den Abschluss bildete am Abend ein Runder Tisch, zu dem neben zwei Vertretern des Landwirtschaftsamtes Ferdinandshof, Herrn Wedewart und Herrn Verchow, sowie Herrn Dr. Röber vom Landespflanzenschutzamt die Peeneland Agrar GmbH, die Pulower Gemeindevertreter, die Bürgerinitiative „Landwende“ sowie die derzeit gegen die Gemeindepolitik protestierenden EinwohnerInnen von Waschow und Papendorf geladen waren. Letztere gaben dem Vermittler jedoch einen Korb und erschienen nicht. Für die Peeneland Agrar GmbH war Vizechef Olaf Czeskleba gekommen, und auch die ATR Landhandel Arp Thordsen Rautenberg GmbH & Co. KG hatte einen Mitarbeiter, Herrn Asmussen, an den Tisch gesandt.

In dem von Dr. Rudolphi mit viel Fingerspitzengefühl vorbereiteten Schlichtungsgespräch ging es nicht um schmutzige Wäsche aus alter und jüngster Vergangenheit. Die Vereinbarung, sich streng am Ist-Zustand zu orientieren, war Voraussetzung für den Versuch, einen Weg zur Verständigung zu suchen. Beide Seiten konstatierten, man frustriere und blockiere sich gegenseitig. Überraschend schnell gelang es jedoch, einander zuzuhören. So konnten einige zentrale Probleme, die für die wechselseitige Verstimmung gesorgt hatten, in Ruhe angesprochen werden: die Gestaltung des Straßen- und Wegenetzes, ein möglicher Flächentausch zur Trennung von ökologischen und konventionellen Flächen oder die Nutzung der ehemaligen Schweinemastanlage in Pulow. Auch der Silostandort in Waschow wurde berührt. Hier ist erheblicher Gesprächsbedarf vorhanden, wenn die umstrittene Betriebserweiterung eine mit den Tourismuszielen von Raumordnung und Gemeinde konforme und der Arbeitsplatzsicherung dienende Lösung finden soll. Von Seiten der Gemeinde, die gegen die Baugenehmigung des Landkreises Widerspruch eingelegt hat, wurde nochmals dargelegt, dass die Tür zu konstruktiven Verhandlungen noch immer offen stehe.

Nicht zuletzt durch die Unterstützung der amtlichen Vermittler verlief das Gespräch intensiv und konstruktiv. Alle Gesprächspartner waren sich einig, dass für ein gedeihliches Miteinander der ständig gepflegte Dialog unverzichtbar ist. Sowohl Gemeinde und Bürgerinitiative wie auch der Vertreter der Peeneland Agrar GmbH ließen ihre Bereitschaft erkennen, sich in Zukunft aufeinander zu bewegen zu wollen. So wurde ein zweites Treffen in den nächsten drei Wochen vereinbart, um die jetzt angerissenen Themen weiter zu vertiefen. Sowohl die Vertreter des Landwirtschaftsamtes wie auch Dr. Rudolphi sagten ihre weitere Unterstützung zu. Eine gemeinsame Preeseerklärung wurde vereinbart.

Der Schlichter appellierte an beide Seiten, die wirtschaftlichen Ziele des jeweils anderen zu akzeptieren. Jeder müsse dem anderen den Erfolg möglich machen. So wichtig die konventionelle Landwirtschaft in absehbarer Zukunft bleibe, so unterstützenswert seien auch die Anstrengungen der ökologischen Betriebe, im regionalen Wirtschaftsraum arbeitsplatzintensive Nischen zu schaffen und zu besetzen. Rudolphi würdigte die Entwicklungsarbeit der Gemeinde Pulow als substanziell und bescheinigte den angestrebten Zielen hohes öffentliches Interesse, da hier Vorgaben des Landes umgesetzt werden. Die derzeit bekundete Unzufriedenheit vieler Waschower und Papendorfer BürgerInnen sei auch auf Unkenntnis der Planungen zurückzuführen. Die Gemeindevertretung stehe nun vor der Aufgabe, die neue Opposition in die Entwicklung zu integrieren, die Gemeindeziele allgemein verständlich zu vermitteln und das Vertrauen der EinwohnerInnen wieder zu gewinnen. Vorher ließe sich auch ein Pilotprojekt zur Kooperation von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, wie es anlässlich des Schweriner Arbeitsgesprächs von Landwirtschaftsminister Till Backhaus angedacht wurde, nicht realisieren.

Die Aussagen von Dr. Rudolphi zur Gemeindeentwicklung sind ermutigend, stellen sie doch klar, dass unser Weg insgesamt richtig und politisch erwünscht ist.

Die nächste Gelegenheit, sich zu informieren, haben die BürgerInnen am Freitag, den 19. Oktober. Dann findet im Gutshaus Waschow der nächste reguläre Stammtisch statt. Dieses Bürgerforum tagt seit 1998 jeden dritten Freitag im Monat und bietet allen EinwohnerInnen die Möglichkeit, sich in die Gemeindeentwicklung einzubringen.

20.10.2001, 10:00 Uhr

Pulow gespalten

Ungeachtet der Tatsache, dass am „Runden Tisch“ der Dialog zwischen dem Landwirtschaftsbetrieb, der Gemeindevertretung und den betroffenen Bürgern und Betrieben aufgenommen wurde, ist die Stimmung in der Gemeinde weiterhin angespannt. Beim jüngsten „Stammtisch“ am Freitag Abend distanzierte sich eine Gruppe von BürgerInnen, die von dem Herbizid-Vorfall und dem damit verbundenen Verzehrverbot nicht betroffen waren, ausdrücklich von einer Meldung in der Presse, in der es heißt, beide Seiten hätten sich aufeinander zu bewegt. Eine Sprecherin der Gruppe betonte, man wolle im Gegenteil keinesfalls die Zusammenarbeit. Man wolle vielmehr eine andere Gemeindevertretung. Der Frieden könne nur durch den Rücktritt des Bürgermeisters und der Gemeindevertretung mit anschließenden Neuwahlen wiederhergestellt werden. Eine sachliche Begründung für die Forderung wurde bisher noch nicht öffentlich bekanntgegeben.

Die anwesenden Vertreter des Landwirtschaftsbetriebs und des Landhandelsunternehmens aus Hohendorf bezeichneten den „Runden Tisch“ als „Pflichterfüllung“. Sie hätten daran teilgenommen, um nicht in der Zeitung lesen zu müssen, eine der Konfliktparteien sei abermals nicht erschienen.

Das Gespräch wurde nicht protokolliert, nachdem sich ein Sprecher der in der Mehrzahl erschienenen Gruppe der unzufriedenen BürgerInnen dagegen verwehrt hatte. Der Bürgermeister wies darauf hin, dass der Stammtisch zwar eine inoffizielle Runde sei, er sich aber als öffentliche Person äußere und daher Anspruch auf entsprechende Öffentlichkeit habe. Dennoch gab er dem Ansinnen nach.

Die Versammlung zeigte, dass sich die Unzufriedenheit der Bürgergruppe von der Herbizid-Problematik abgelöst hat. So war das dominierende Thema der Bau einer Straße zum Silostandort des Landhandels. Der Vorschlag des Bürgermeisteres, den Bauausschuss um weitere sachkundige Bürger zu erweitern und dort die bisherige Straßen- und Wegeplanung zu diskutieren, wurde aufgegriffen.

21.10.2001, 10:30 Uhr

Bürgerinitiative Landwende konzentriert sich auf übergeordnete Aufgaben

Die Bürgerinitiative Landwende ist dabei, die Erkenntnisse aus dem Herbizid-Vorfall in Mecklenburg-Vorpommern auszuwerten und Fragen an Industrie, Forschung und Behörden zu formulieren. Zu mehreren Instituten und Forschungseinrichtungen wurden erste Kontakte geknüpft, um unter anderem die Ursachen für die beobachteten Gesundheitsbeschwerden zu untersuchen und eine Gefahr durch die modernen, hochwirksamen agrochemischen Mittel sicher ausschließen zu können. So liegen derzeit keinerlei Studien vor, welche sich mit der fortgesetzten Inhalation geringster Mengen oder mit der synergetischen Auswirkung verschiedener Wirkstoffe befassen.

Auch mit der Problematik der Umsetzung von bundes- und landespolitischen Zielen, wie Lokale Agendas zur Agenda 21 oder die Sölle-Richtlinie des Landes Mecklenburg-Vorpommern, wird sich die Initiative beschäftigen. Solche übergeordneten Ziele, welche die Zukunftssicherung der Allgemeinheit betreffen, dürfen nicht an lokalen Partikularinteressen scheitern.

Das Informationstempo auf dieser Web-Seite wird sich dementsprechend verlangsamen.

Nachtrag September 2004: Tatsächlich haben wir es vorgezogen, diese Seiten nicht weiter zu aktualisieren, um dem Mobbing keine weitere Nahrung zu geben. Zum Fortgang der Ereignisse siehe www.pulow.de/archiv. Die preisgekrönte F 90-minütige Filmdokumentation „Die Siedler“, die im Jahr 2003 entstand und im Fernsehprogramm der ARD am 18. August 2004 ausgestrahlt wurde, schildert ebenfalls die weiterhin problematische Lage in der Gemeinde Pulow. Der Film kann über die Web-Site www.denkmal-film.de bezogen werden.