Ohne GVO und Pestizide

Ein Amish-Twen in den USA zeigt, wie wirtschaftlicher Erfolg und verantwortungsvoller Umgang mit der Natur vereinbar sein kann.

Der damals 16 Jahre junge John Kempf macht sich verzweifelt auf den Weg, seinen landwirtschaftlichen Familienbetrieb vor immer schlimmeren Krankheiten und Schädlingsplagen zu schützen. Er begibt sich in die Untiefen der Wissenschaft, um Lösungen zu finden, die in den gängigen Lehrbüchern nicht aufgeführt sind. Nach nur 8 Jahren Schule, mit 14, stieg er in die familieneigenen Obst- und Gemüseproduktion in Ohio ein, wo er im Lauf der Zeit für Berieselung, Düngung sowie den Einsatz von Herbiziden und Pestiziden Verantwortung übernahm. Er setzte auf Pferde statt auf Traktoren und arbeitete mit einem Sprüher, der von einem kleinen Motor angetrieben wird. Infektionen und Krankheiten belasteten die Ernte. Der Tiefpunkt war 2004 erreicht, als deutlich mehr als die Hälfte der Ernte bei Kempfs – Tomaten, Gurken, Zucchini und Zuckermelonen – verdarb. Die Familie kam finanziell in eine äußerst kritische Lage.

Sein Offenbarungserlebnis erfuhr der junge Kempf in dem Jahr, als einige Reihen Zuckermelonen von alten Feldern auf Neue angrenzende übertragen wurden, die bis dahin noch nicht jahrelanger, chemischer Behandlung ausgesetzt waren. Auf den alten Feldern schlug überall der echte Mehltau zu. Direkt daneben, die Grenze war klar erkennbar, wuchsen die identischen Pflanzen, die im gesamten Zeitraum identisch behandelt worden waren, absolut gesund heran.

Er studierte Fachmagazine, führte Gespräche mit Experten, fand Lücken im eigenen Wissen und füllte diese: Botanik, Pathologie, Entomologie, Physiologie, Immunologie usf.. Kempf war daran gelegen mit allen zu sprechen, um ein durchgängiges Verständnis von Boden- und Pflanzengesundheit zu gewinnen, das er in seinem Betrieb anwenden kann. Selbst noch ein Teenager, der nicht einmal die 9. Klasse erfolgreich abgeschlossen hatte, waren die Wissenschaftler daran interessiert, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ihm kam schnell der Verdacht, dass die chemiebasierten landwirtschaftlichen Methoden, die er anwendete, die Ursache und nicht die Lösung des Problems waren. Seit 2006 verzichtete Kempf komplett auf Pestizide und verbrachte mehr und mehr Zeit damit, seine Ideen mit Wissenschaftlern und Farmern im gesamten Land zu diskutieren. Im gleichen Jahr gründete er seine bald schnell heranwachsende landwirtschaftliche Beratungsfirma Advancing Eco Agriculture (AEA).

Um den Eindruck zu vermeiden, die derzeitige Form der Landwirtschaft solle erhalten bleiben, vermeidet Kempf die Phrase „nachhaltig“ und spricht daher bevorzugt von „regenerativer Landwirtschaft“. Sein Ansatz in Kürze: Gesunder Boden sorgt für gesunde Pflanzen. Gesunde Pflanzen haben ein gesundes Immunsystem, um Krankheiten abzuwehren. Laut AEA kann man den Ertrag zwischen 10-30 % steigern und gleichzeitig die Kosten durch den Verzicht auf Pestizide senken, so der der mittlerweile 26 Jahre alte Kempf, der der Gemeinschaft der Amischen angehört. Auf faszinierende Weise gelingt Kempf eine Gratwanderung zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Ideologien. Er fordert Farmer auf, auf Pestizide zu verzichten, gleichzeitig kritisiert er den biologischen Anbau. „Der typische Bioanbau ist nur negativ, beschäftigt sich damit, was nicht erlaubt ist“, sagt Kempf. Allein das Weglassen der Pestizide sorge noch nicht dafür, dass die Ernte ebenfalls gedeiht, oder die Produkte wirklich gesünder sind. Sein Ansatz ist proaktiver. AEA vermarktet Produkte, die darauf abzielen, Boden- und Pflanzengesundheit zu verbessern und setzt auf ausgefuchste Maßnahmen, die Pflanzengesundheit in der gesamten Saison zu kontrollieren. Rückbesinnung auf vor-industrielle Landwirtschaft kombiniert mit aktuellen technologischen Innovationen – diese Philosophie wird gut angenommen und das Unternehmen wächst rasant. Aktuell hat AEA rund 30 Mitarbeiter und betreut einige tausend Kunden im ganzen Land.