Karl Ludwig Schweisfurth schildert seine Wandlung von Europas größten Fleischwarenfabrikant zum Biobauern und »Auswärtsvegetarier«.
Besser, schöner, würdevoller!
»Herta, wenn’s um die Wurst geht!« Dieser Werbespruch begleitete meine Kindheit im Ruhrgebiet, wo Herta, die führende Fleischfabrik Westdeutschlands, ihren Sitz hatte. In den 1970er Jahren kamen Herta und der Unternehmer Karl Ludwig Schweisfurth mit der Aktion »Kunst geht in die Fabrik« in die Schlagzeilen. Dabei mauerte der Fluxus-Künstler Wolf Vostell einen alten Buick als Mahnmal gegen die industrielle Fleischproduktion in eine Zementwand und legte ein ausgestopftes Kalb unter dessen Räder.
Hier deutete sich schon an, dass der Unternehmer Karl Ludwig Schweisfurth bereit war, sich den Widersprüchen der eigenen Person und der Gesellschaft zu stellen, auch wenn er gewiss noch nicht ahnte, dass er als gelernter Metzgermeister zum »Auswärtsvegetarier « mutieren würde. Er hatte den Familienbetrieb in den Jahren des Wirtschaftswunders von seinem Vater übernommen. Der hatte den jungen Karl Ludwig schon 1953 in die USA geschickt, um die industrialisierte Fleischproduktion zu bestaunen: »Wir sahen […] erstmals lange Fließbänder, auf die tote Schweine fielen. Männer beidseits des Bandes zerteilten die Schweinehälften, sie taten es mit automatenhaft schnellen, exakten Bewegungen. Wenn man die Augen zu Schlitzen verengte, verschwammen Maschine und Mensch zu einer einzigen Mega-Zerhackmaschine.« Der junge Student der Betriebswirtschaftslehre war fasziniert vom amerikanischen »Größer, Höher, Weiter« und skizzierte schon auf dem Rückflug die Umsetzung dieser Ideen für den Familienbetrieb. Am Ende führte der Unternehmer Schweisfurth einen europäischen Fleischkonzern mit 5500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden D-Mark. Das Ende – das war der Verkauf des Unternehmens, mit zitternder Hand besiegelt. Aber – so Schweisfurth –: »Nach diesem Handschlag war mir leicht.«
1985 folgte ein neuer Anfang mit der Gründung der Schweisfurth Stiftung, die eine notwendige ökologische Verantwortungsethik formulierte, sowie den Hermannsdorfer Landwerkstätten, in denen beispielhaft vorgemacht wird, wie symbiotische Landwirtschaft funktionieren kann: mit Tieren auf der grünen Weide, die gemeinsam mit Regenwürmern und Billionen von Mikroorganismen immer wieder neuen Humus schaffen – unser aller Lebensgrundlage. Detailreich und spannend beschreibt Karl Ludwig Schweisfurth seinen langen Weg vom profitgetriebenen Fleischfabrikanten zu einem Menschen, der Achtsamkeit als neuen Wegweiser entdeckt – zu sich selbst und einer Welt, die besser, schöner und würdevoller gestaltet werden kann.
Quelle
Rezension von Farah Lenser in: Oya, Ausgabe 26
oekom Verlag
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Autor
Karl-Ludwig Schweisfurth