Wissensexkursion Permakultur, Teil 4.

»Stelle sicher, dass deine Arbeit wirklich nützliche Erträge hervorbringt«, legt das dritte Permakultur-Gestaltungs­prinzip nach David Holmgrens Inter­pretation nahe.

Ob etwas nützlich sein kann oder nicht, hängt mit den jeweiligen Gegebenheiten beziehungsweise mit der Gesamtsituation zusammen. Von einer übergeordneten Ebene aus betrachtet, würde eine Entwicklung vom abhängigen, fordernden Konsumenten hin zum verantwortlichen Produzenten die Zukunftsfähigkeit unserer Kultur erhöhen – und wäre damit überaus nützlich. Die Wege, selbst zu einer Produzentin zu werden, sind vielfältig: Ob auf dem Balkon, im Haus- oder Gemeinschaftsgarten, auf dem Acker oder als aktiver Teil einer Abnehmergruppe in der solidarischen Landwirtschaft – es gibt verschiedenste Möglichkeiten, selbst die Finger in die Erde zu stecken und etwas wachsen zu lassen.
Auch bei der Gestaltung von kommunalen Außenräumen und Spielflächen, beispielsweise in Parks und auf Kindergarten- oder Schulgeländen, lässt sich aus der eingebrachten Pflegeenergie mehr machen. Hier gilt es, das »Luxusgrün« zu minimieren. Denn eine extensive gärtnerische Nutzung widerspricht in vielen Fällen anderen Nutzungsansprüchen nicht. Bäume, die als Schattenspender oder Gestaltungselemente dienen, können gleichzeitig bienentaugliche Blüten und nutzbare Früchte oder Nüsse hervorbringen. Hier lohnt es sich, an den vielerorts veranstalteten Bürgerbeteiligungsverfahren teilzunehmen und entsprechende Vorschläge zu machen.

»Ernte« kann alles mögliche bedeuten
»Englischer Rasen« sollte nur dort den Erhaltungsaufwand an Dünger, Wasser und Pflege bekommen, wo er tatsächlich als Spiel- oder Aufenthaltsplatz genutzt wird; ansonsten gibt auch eine zweischürige Blumenwiese grüne Fläche und ist dabei doch wesentlich ergiebiger für die Biodiversität. Aber selbst bei kurzem Rasen kann das Mähgut als Ressource betrachtet und auf angrenzenden Heckenstreifen oder Beeten als dünne Mulchschicht ausgebracht werden. Blumenrabatten können zugleich schön und ertragreich sein, wenn sie neben Blumen beispielsweise dekorative Nutzpflanzen, wie bunte Kohl-, Mangold- oder Salatsorten, beherbergen. Auch essbare oder als Tee verwertbare Kräuter, wie Kapuzinerkresse, Thymian, buntblättriger Salbei oder Oregano, könnten hier wachsen. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, nur solche Blumen auszuwählen, die auch fortpflanzungsfähig sind und offene, für Insekten nutzbare Blüten tragen.
Neben der Betrachtung der »Ernte« als Ertrag von Nahrungsmitteln kann der Begriff auch weiter gefasst werden. Man kann ihn als Lohn begreifen, der das System, das den Ertrag brachte, unterstützt, aufrechterhält oder reproduziert. Eine Ernte kann demnach auch aus Wissen, Geld, Kontakten, praktischer Hilfe oder ähnlichem bestehen.
Mein liebstes Beispiel für eine Ernte jenseits von Nahrungsmitteln ist die Geschichte von Judits Gartenzaun. Judit zog mit ihrer Familie in ein Haus in einem Dorf, ringsherum ein Garten, dessen Gartenzaun an einer Stelle erneuert werden musste. Sie beschloss, sich mit dem Flechten von Weidenruten zu beschäftigen und an dieser Stelle selbst einen Weidenzaun herzustellen. Während mehrerer Stunden flocht sie vor Ort den Zaun und kam beim Tun ins Gespräch mit Passanten, die Inter­esse zeigten. Der unerwartete Ertrag ihrer Arbeit war also neben dem Weidenzaun und der neu erlernten handwerklichen Fertigkeit auch der Kontakt zu Bewohnerinnen ihres neuen Wohnorts. •

Quelle
Oya – anders denken. anders leben, Ausgabe 20
http://www.oya-online.de/article/read/1017-erziele_eine_ernte.html

Autor
Ulrike Meißner
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Kategorien: Humusrevolution