Mechanismen der Zu- und Abnahme der Evolution neuer Arten experimentell untersucht
Studie der Georg-August-Universität Göttingen besagt: Artensterben verhindert Anpassung an Klimawandel
Das Aussterben von Arten kann die Entwicklung neuer Arten verlangsamen oder verhindern, die deren Funktionen im Ökosystem übernehmen. Zu diesem Ergebnis kommt die erste experimentelle Studie zu diesem Thema, die Biologen aus Utrecht, Göttingen, Leipzig und Montpellier vorgelegt haben. Sie fanden heraus, dass das Aussterben von Arten weit längerfristige und schädlichere Wirkungen haben kann als bislang angenommen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.
Jede Art erfüllt eine Rolle für das reibungslose Funktionieren des Ökosystems als Ganzes. Wie wirkt sich ein massenhaftes Aussterben von Arten weltweit auf die Biodiversität und das Funktionieren der betroffenen Ökosysteme aus? „Unsere Studie zeigt, dass das Artensterben nicht nur das aktuelle Funktionieren des Ökosystems beeinträchtigt, sondern auch die evolutionäre Entwicklung neuer Arten verlangsamen kann“, so Erstautor Dr. Alexandre Jousset, der jetzt an der Universität Utrecht arbeitet und zuvor am Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie der Universität Göttingen geforscht hat. Sein Göttinger Kollege Prof. Dr. Stefan Scheu ergänzt: „Wir können außerdem nachweisen, dass die Entwicklung neuer Arten verhindert wird, die für die Bewältigung neuer Herausforderungen, zum Beispiel als Folge des globalen Klimawandels, notwendig wären.“
Frühere Studien zu Veränderungen im Ökosystem berichteten sowohl von der Zunahme als auch der Abnahme bei der Entstehung neuer Arten. Das deutsch-französische Forscherteam untersuchte experimentell die Mechanismen, die den Zu- und Abnahmen zugrunde liegen. Mit unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften simulierten sie Ökosysteme auf mikroskopischer Skala. In dieser kontrollierten Umgebung konnten sie untersuchen, ob die gegenläufigen Ergebnisse vereinbar sind, wenn man die Vielfalt biologischer Funktionen und die Spezialisierung der verbleibenden Arten berücksichtigt. Sie fanden heraus, dass Biodiversität die Evolution neuer Arten stimuliert, wenn die Ressourcen im Ökosystem zunehmend knapp werden und die neuen Arten bislang wenig verwendete Ressourcen nutzen können. Indem die Arten die Nutzung dieser Ressourcen immer effizienter gestalten, verhindern sie nach Meinung des Forscherteams das Ende ihrer evolutionären Entwicklung. „Unsere Studie verdeutlicht, dass Ursachen und Folgen von Biodiversität nur durch enge Verknüpfung von Ökologie und Evolution verstanden werden können“, so Prof. Dr. Nico Eisenhauer vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiV) und der Universität Leipzig.
Originalveröffentlichung:
Alexandre Jousset et al, High functional diversity stimulates diversification in experimental microbial communities, Science Advances, doi 10.1126/sciadv.1600124, http://advances.sciencemag.org/content/2/6/e1600124
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Stefan Scheu
Georg-August-Universität Göttingen
Biologische Fakultät
Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
Berliner Straße 28, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-5445
E-Mail: sscheu@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/107728.html
Quelle
Georg-August-Universität Göttingen
http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5542